ASTRO ELECTRONIC
Dipl.-Ing. Michael Koch
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Test-Protokoll des Round-Robin-Spiegels, April 2006

Von November 2005 bis April 2006 wurde ein selbstgeschliffener Spiegel auf die Reise geschickt, damit er von möglichst vielen Spiegelschleifern getestet werden konnte. Das Ziel war die Testmethoden und Ergebnisse vergleichen zu können. Die Aktion wurde von Martin Trittelvitz organisiert, und der Spiegel wurde von Chris Plicht zur Verfügung gestellt.

Die sachliche Diskussion über dieses Test-Protokoll ist ausdrücklich erwünscht. Es gehört für mich zum guten Umgangston dass diese Diskussion nur in solchen Foren stattfinden sollte, in denen ich auch regelmässig mitlese, also konkret im Astro-Treff/ATM-Optik-Forum: http://www.astrotreff.de/forum.asp?FORUM_ID=37     Ich werde mich nicht an Diskussionen beteiligen, die in irgendwelchen anderen Foren geführt werden.

COPYRIGHT:  Dieses Test-Protokoll ist urheberrechtlich geschützt. Die Vervielfältigung, egal ob ganz oder teilweise, ist nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung des Autors zulässig. Das gilt auch für Zitate. Wer auf dieses Test-Protokoll verweisen möchte, der möge bitte einen Link verwenden.
 

1. Foucault-Test
 

Der Foucault-Tester entspricht ziemlich genau der Bauanleitung in Texereau's "How to make a Telesope", also feststehende Lichtquelle mit vertikaler Schlitzmaske, weisses Halogen-Licht. Der einzige Unterschied ist dass direkt vor dem Schlitz ein unter 45° angeordneter Planspiegel sitzt, um den seitlichen Abstand zwischen Lichtquelle und Messerschneide zu minimieren. Die Auswertung erfolgt mit einem selbstgeschriebenen Programm, in enger Anlehnung an den Algorithmus wie er bei Texereau beschrieben ist. Als Licht-Wellenlänge habe ich 633nm eingetragen, um die Ergebnisse besser mit der interferometrischen Auswertung vergleichen zu können. Ich verwende eine Couder-Maske mit 9 Zonen.

Erste Messreihe, die "1|4" Markierung ist oben:



 


Zweite Messreihe, Spiegel um 90° im Uhrzeigersinn gedreht, die "3" Markierung ist oben:



 


Kombinierte (gemittelte) Auswertung der beiden Messreihen:



 


Mein erster Eindruck nach dem Foucault-Test: Ein guter Spiegel, insgesamt leicht überkorrigiert.
 
 

2. Interferometrischer Test

Der nächste Test ist ein direkter Test des Spiegels gegen die Transmissions-Sphäre eines Fizeau-Interferometers.
Das Interferometer ist ein modernisiertes Zygo MK-III mit Phasenschieber, die Transmissions-Sphäre ist eine Zygo 4" f/3.3 (Series II) mit weniger als 1/15 wave Oberflächen-Fehler. Da hier nur der mittlere f/10 Bereich der Sphäre verwendet wird, kann man annehmen dass der Fehler deutlich kleiner als 1/15 wave ist. Die Auswertung erfolgt über die IntelliWave Software.
 


Bei der ersten Messung war der Spiegel so ausgerichtet dass die "1|4" Markierung oben war. Das Interferometer dreht aber das Bild um 180°, so dass die "1|4" Markierung im Interferogramm unten ist.
Gemessen wird die Wellenfront, d.h. die "waves/fringe" Konstante ist 1.0.
Verkippung und Fokus wurden automatisch subtrahiert. Es wurden automatisch 10 Messungen gemittelt.
Wie ich leider erst hinterher gemerkt habe ist bei allen interferometrischen Messungen das Vorzeichen falsch: Rot sind also Täler, violett sind Berge.
Man sieht die gleiche Wellenfront-Topografie links als 2D-Darstellung und rechts als 3D-Darstellung.  Ganz links sind die Zernike-Koeffizienten aufgelistet.
Man sieht sofort zwei Dinge:
1. Jede Menge sphärische Aberation, das muss so sein weil hier ein Paraboloid gegen eine Sphäre gemessen wurde.
2. Ziemlich viel Astigmatismus.

Im nächsten Bild wurde die theoretische Differenz zwschen Paraboloid und Sphäre subtrahiert. Im konkreten Fall sind das 1.242 waves für den "spherical" Term. Berechnungsgrundlagen siehe http://www.astro-electronic.de/faq3.htm#6   (Link geändert am 6.8.06)
Oben links: Die gemessenen Rohdaten
Oben rechts: Die zu subtrahierende sphärische Aberation, 1.242 waves
Unten links: Die Differenz als 2D-Darstellung
Unten rechts: Die Differenz als 3D-Darstellung
Ganz links: Die Zernike-Koeffizienten nach der Subtraktion

Man sieht dass der "spherical" Term nach der Subtraktion immer noch positiv ist, der Spiegel ist also etwas überkorrigiert.


 
 

Jetzt habe ich den Spiegel um 90° im Uhrzeigersinn gedreht, so dass die "3" Markierung oben ist.

Und nach Abzug der sphärischen Aberation sieht es so aus:

Abschätzung des Teststand-Astigmatismus: (Herleitung siehe http://www.astro-electronic.de/faq3.htm#11, Link geändert am 6.8.06)
z4_m0 = 0.4161
z4_m90 = -0.5273
Teststand-Astigmatismus: (0.4161 + (-0.5273)) / 2 = -0.0556
Wahrer X-Astigmatismus (Z4) des Spiegels: (0.4161 - (-0.5273)) / 2 = 0.4717
--> Der Teststand-Astigmatismus ist hier vernachlässigbar gering.

Ergebnis der interferometrischen Messung, nach Mittelung der 0° und 90° Messungen:
Der Wellenfront-Fehler ist 1.27 waves PV und 0.20 waves RMS bei der Bezugswellenlänge 633nm.
Wenn man als Bezugswellenlänge 550nm annimmt, dann entspricht das 1.46 waves PV und 0.23 waves RMS.

Berechnung des Korrekturgrads:
spherical Term, erste Messung: 1.3171
spherical Term, zweite Messung: 1.2992
spherical Term, Mittelwert: 1.3081
spherical Term, theoretischer Wert für Paraboloid: 1.242
Das ergibt einen Korrekturgrad von 105.3%, also 5.3% überkorrigiert.
 
 

3. Ergebnis:

Das auch für mich etwas überraschende Ergebnis dieses Tests ist, dass ein Spiegel beim Foucault-Test so gut abschneiden kann und gleichzeitig beim interferometrischen Test so jämmerlich versagt. Unter diesem Aspekt muss ich meine alten selbstgeschliffenen Spiegel nochmal interferometrisch nachmessen...

Michael Koch
 


4. Nachtrag:

Beim Vergleichen mit den Ergebnissen der anderen Teilnehmer ist aufgefallen, dass es signifikante Unterschiede bei der Orientierung der Astigmatismus-Achse gibt. Des Rätsels Lösung besteht darin dass irgend jemand die Markierung am Spiegel geändert haben muss.

Marty sagt, er hat einen einfachen schwarzen Strich mit Edding gemacht, ohne auf eine bestimmte Ausrichtung zum Astigmatismus zu achten. Diese Markierung wurde von den ersten Hälfte der Teilnehmer verwendet, zumindest bis einschliesslich Horia Costache.
Stathis Kafalis hat den Spiegel bereits mit neuen Markierungen bekommen, und alle folgenden Teilnehmer haben diese neuen Markierungen verwendet. Es gibt zwei neue Markierungen, eine ist mit "1|4" beschriftet, und die andere um 90 Grad versetzt mit "3" beschriftet, und zusätzlich mit einem Linsen-Symbol versehen.
Glücklicherweise sind auf dem Spiegelrand auch noch jede Menge weisse Linien, und auf einem Foto von Horia Costache kann man sehen wo die ursprüngliche Markierung relativ zu den weissen Linien gewesen ist. Die weissen Linien sind immer noch vorhanden, allerdings nicht mehr so deutlich. Aber man kann rekonstruieren wo die ursprüngliche Markierung gewesen sein muss. Siehe folgendes Bild, es zeigt die Lage aller weisser Linien und aller Markierungen. An der Stelle wo die ursprüngliche Markierung gewesen sein muss ist jetzt absolut NICHTS mehr zu sehen.
Auffällig ist, dass die neuen Markierungen nahezu perfekt die Achse des Astigmatismus angeben. Wodurch das Erkennen des Astigmatismus mittels Foucault-Test zusätzlich erschwert wird. Wer auch immer die ursprüngliche Markierung entfernt hat, das war ziemlich unfair gegenüber den anderen Teilnehmern.
Der Winkel zwischen der ursprünglichen Markierung und der neuen "1|4" Markierung ist ca. 49 Grad.


 
 

5. Nachtrag:

Der Spiegel wurde während der Messungen auf zwei Punkten gelagert, im Abstand von 10cm. Dabei hat der Spiegel frei gestanden, die auf die Rückseite einwirkenden Kräfte waren Null oder sehr klein.
Der berechnete Teststand-Astigmatismus entspricht 0.11 waves PV in der Wellenfront (bei 633nm).
Begründung für den Umrechnungsfaktor 2 siehe unten.

Wenn man nach Abzug des Teststand-Astigmatismus alle sonstigen Fehler abziehen würde, dann würde folgender Astigmatismus übrig bleiben:
Zernike Koeffizient Z4 des Spiegels: (0.4161 - (-0.5273)) / 2 = 0.4717
Zernike Koeffizient Z5 des Spiegels: (0.0265 - (-0.0303)) / 2 = 0.0284
Betrag des Astigmatismus des Spiegels: sqrt(0.4717^2 + 0.0284^2) = 0.473
Das entspricht 2 * 0.473 = 0.945 waves PV in der Wellenfront (bei 633nm).
Bei 550nm entspricht das 1.088 waves PV in der Wellenfront.

Begründung für den Umrechnungsfaktor 2:
Das Zernike-Polynom für Astigmatismus ist z[4] = r^2 * cos(2 * winkel), das Minimum dieser Funktion ist -1 und das Maximum ist +1, daher muss man mit dem Faktor 2 multiplizieren um von den Zernike-Koeffizienten zum PV Wert zu kommen.
Dieser Faktor ist aber nicht für alle Zernike-Koeffizienten gleich 2, es gibt unterschiedliche Faktoren!

Noch ein Hinweis zur Nummerierung der Zernike-Koeffizienten. Es gibt in der Literatur verschiedene Methoden der Durchnummerierung. Zum Beispiel unterscheidet sich die Nummerierung von IntelliWave von der Nummerierung die ich in meiner Formelsammlung verwende:
IntelliWave (verwendet die "University of Arizona Zernikes") : Astigmatismus = Z5, Z6
Meine Formelsammlung: Astigmatismus = Z4, Z5
FringeXP, Seidel: Astigmatismus = Z4, Z5